Es war einmal ein Wurm, der aus einem alten Kohlkopf kroch, in dem er geboren war. Der Wurm liebte den Regen und wurde deshalb Regenwurm genannt. An einem Tag kroch der Regenwurm aus der Erde heraus. Er sah einen Apfel, reif und rot, an dem untersten Zweig eines Apfelbaums hängen. „Den will ich haben“, flüsterte er.
Er hatte Angst, dass ihn jemand hören könnte und ihm den Apfel vor der Nase wegschnappen würde. „Darum will ich schnell einen Tunnel dorthin bohren.“ Aber der Apfel hing viel zu hoch für den Wurm und den Stamm hochzuklettern war viel zu gefährlich. Wenn ein Vogel das sehen würde…Was würde dann bloß Schreckliches geschehen…Ohje, da wollte der Wurm nicht dran denken.
Der Regenwurm kroch wieder in den Boden. „Und was wenn ich heimlich auf den Rücken von dem kleinen Sperling krieche? Dann kann er mich ja nicht sehen. Und wenn er in den Baum fliegt, kann ich mich auf den roten Apfel setzen und einen saftigen Tunnel in ihn bohren.“ Sobald der Regenwurm sich dies ausgedacht hatte, glitt er vorsichtig durch seine Gänge hinaus an die Erdoberfläche.
Aber die Vögelchen trippelten und sprangen und bewegten sich hin und her wie Ping-Pong Bälle. Was der Regenwurm auch tat, er schaffte es nicht dicht genug an einen Sperling ranzukommen, um ihm auf den Rücken zu klettern. Auf einmal stand etwas entfernt auf der Wiese eine schwarze Drossel, die ihren Kopf schief gelegt hatte. Sie schaute so verträumt, dass sie wohl verliebt sein musste. Und das war sie auch.
Sie öffnete ihren goldenen Schnabel und begann zu singen. Lange Phrasen kamen aus ihrer Kehle. Und alle Vögel um sie herum sangen mit. Die ganze Welt schien voll zu sein von verliebten Vögeln. Der Regenwurm glitt vorsichtig auf die Drossel zu, kein Grashalm bewegte sich. Er kroch der Drossel auf den Rücken ohne dass sie etwas merkte.
Der Regenwurm wartete geduldig darauf, dass der Vogel wieder losfliegen würde. Erst nach fünf Minuten breitete die Drossel ihre Flügel aus und flog jubelnd zum Baum. Aber nein, das war ja auch was….Sie setzte sich auf den höchsten Ast des Baumes, hoch oben in der Baumkrone und flötete mit schönen Klängen ihr wunderbares Lied.
Der Regenwurm schaute sich um und sah zwischen den Blättern den rotglänzenden Apfel. „Das wird was“, sagt er leise. Er ließ sich vom Rücken der Drossel runtergleiten. Und hoppla! Da fiel er. Aber ohje, er fiel am Apfel vorbei, rums auf den Boden. Der Wurm war total durcheinander und erschrocken. So sehr, dass er schnell wieder in den Boden kroch.
Dort war er sicher. „Ich probiers noch einmal“, sagte er und fasste sich ein Herz. Und das tat er auch. Er wartete bis die Drossel wieder am Boden war und kletterte wieder heimlich auf ihren Rücken. Wieder flog der fröhlich singende Vogel nach ganz oben in die Baumkrone.
Der Regenwurm ließ sich wieder fallen und wieder landete er auf dem Boden. Der Regenwurm war ein tapferes Kerlchen. „Drei Mal ist Bremer Recht“, sagt er zu sich. Zum dritten Mal lies der Regenwurm sich mitnehmen. Aber die Drossel flog geradewegs wieder zu ihrem Lieblingsplatz in der Baumkrone. Der Regenwurm schaute runter zum Apfel.
Wenn er sich jetzt gut am Apfel orientieren würde und zu ihm schaute, sollte er näher an ihn rankommen…und dem war auch so. Er kletterte den Stiel des Apfels hinunter auf die Schale. Aber viel Glück hatte er nicht, der arme Regenwurm. Genau in diesem Augenblick pflückte ein Mädchen den Apfel vom Baum. Sie biss sofort rein.
Sie war so nachlässig, dass sie den Wurm nicht sah und mitaß. „Bäh“, sagte das Mädchen. Aber da war es schon zu spät. Der Regenwurm war in zwei Schlucken in ihrem Magen.
Schreiber: Gré van der Veen
Übersetzung: Aylin B.