Zu einer lang vergessenen Zeit, als Unrecht, Mord und Raub noch durch kein Gesetz verboten wurde, lebten auf einem großen Heidefeld, dem Ellertsfeld, zwei Räuber. Ellert und Brammert, so hießen die zwei Räuber und wohnten in einer großen Höhle unter der Erde. Wenn man aus der Richtung von Zweeloo bis zur Mitte des Felds ging, wo der lange Postweg links abbog nach Schoonloo, lag an der östlichen Seite von diesem Wege eine leere Fläche, die Mordkuhle genannt wurde.
Kahle Sandhügel und die Abwesenheit jeglicher Bäume, machten diesen Ort noch unheimlicher und schrecklicher. Es schien, als ob an diesem Ort nichts mehr wachsen wollen würde. Hier müssen die beiden Räuber gewohnt haben. Ellert hatte seinen Sohn Brammert genauso erzogen, wie er von seinen Eltern erzogen worden war. Sein Sohn war genauso böse wie er, sein Vater. Er war ebenfalls ein Missetäter.
Es war nicht leicht zu sagen, wer von den Beiden böser war. Eine Blutsspur folgte ihnen, wohin sie gingen. Menschen ausrauben und plündern, das war, was sie taten. Mit einer schrecklichen Gleichgültigkeit fielen sie über wehrlose Reisende her, aber sie trauten sich auch in die Dörfer und kleinen Orte um dort ihr Unwesen zu treiben. Nicht selten entdeckte ein hart arbeitender Bauer, dass ihm seine teuer gekauften Kühe, Pferde und Schafe von den Räubern genommen worden waren.
Und sie wagten es auch nicht, etwas gegen die Räuber zu tun. So große Angst hatte man vor den Zweien. Die Räuber hatten an einem Ast der abgestorbenen Linde vor ihrer Höhle eine Schnur befestigt. Am Ende dieser Schnur hatten sie eine Glocke angebracht. Wenn die Glocke erklang, war das für sie ein Zeichen, dass Menschen zu Fuß oder schwerbeladende Wägen den Weg entlang kamen.
Sie überfielen sie dann und nahmen nicht nur das Geld und die Wertgegenstände der armen Reisenden, sondern auch deren Leben. Wenn man von Mord, einer Brandstiftung oder Einbruch hörte, dann war es mehr als sicher, dass Ellert und Brammert dahinter steckten. In einem großen Gebiet rund um ihre Höhle begangen sie ihre Schandtaten.
Sie übersahen niemanden und es war sicher, dass man sein Leben verlieren würde, wenn sie einen zu packen bekämen. An einem für das Dorf unglücklichen Tag, als Vater und Sohn wieder einmal durch das Heidefeld stapften, entdeckten sie in der Gegend um Orveltervene ein Fräulein um die zwanzig, die auf dem Feld ihrer Eltern tätig war. Vater und Sohn schauten sich an und dachten dasselbe: „Dieses Fräulein kommt mit uns mit. Die nehmen wir mit in unsere Höhle.“
Und ohne sich abzusprechen, taten sie, was sie beide dachten. Sie packten sie an den Armen und zerrten sie mit sich. Wie sehr sie sich auch wehrte und rief, dass sie bei ihren Eltern bleiben wolle, die beiden Räuber grunzten nur und liefen weiter. Angekommen bei der Höhle, warfen sie sie hinein. In der dunklen, feuchten Höhle musste sie bleiben, jeden Tag und jede Nacht. Und sie musste hart arbeiten für die beiden Banditen.
Sieben Jahre lang war sie bei den zwei Räubern gefangen. Sie bekam in dieser Zeit ein paar Male ein Kind, aber sobald eines geboren war, verschwand es spurlos. An einem Tag war Brammert auf der Heide um zu schauen, ob es noch jemanden gab, den er ausrauben konnte. Ellert blieb in der Höhle und sagte Marieke, so hieß die Frau, dass sie ihn rasieren sollte. Sie folgte seinem Befehl und fing an Ellert mit dem Rasierpinsel einzuseifen. Danach nahm sie das überaus scharfe Rasiermesser und fing an den Bart zu entfernen.
Ellert schlief irgendwann ein und begann zu schnarchen. Auf einmal kam Marieke der Gedanke, dass hier nach sieben Jahren ihre Gelegenheit gekommen war um zu fliehen. Sie schnitt dem schlafenden Ellert mit einem Schnitt die Kehle auf. Und weg war sie! Brammert, der aus der Ferne angestapft kam, sah sie weglaufen. Er lief ihr hinterher. Zum Glück war er recht weit weg. Aber langsam holte er sie ein. Sie kam ihrem Dorf Orveltervene schon näher, doch auch Brammert war nicht mehr weit von ihr entfernt. Im letzten Moment stürmte sie durch die Holztür des Bauernhofs ihres Vaters. Brammert, der ihr nun auf den Fersen war, warf sein Beil nach ihr. Genau zeitgleich schlug sie die Tür hinter sich zu. Das Beil blieb mit einem lauten Krachen in der Tür stecken. Brammert kehrte um und verschwand wieder in der Heide. Seitdem wurde er nie wieder gesehen.
Die Menschen aus Orveltervene waren so ängstlich, dass Brammert doch noch eines Tages zurückkehren würde, dass sie das Dorf aufgaben und woanders hinzogen. Wenn man nun nachts um zwölf bei der sogenannten Mordkuhle vorbeikommt, sieht man die Schemen von Ellert und Brammert noch rumstreunen. Ihre Hände rauchen. Roter Rauch wie von Blut steigt von ihnen empor. Und man hört sie unheimliche Geräusche machen bis der Kuckuck ein Uhr schlägt. Dann ist in der Mordkuhle alles wieder still. Jede Nacht passiert das Gleiche. Die zwei Mörder haben niemals ihre Ruhe gefunden.
Autor: A.L. Lesturgeon (Übersetzt in das Südwestliche Drents durch Jan Tissing)
Übersetzung ins Deutsche: Aylin B.