Am Freitag fängt das Sommerfest im Dorf an. Schon seit Wochen ist viel los abends. Bei uns in der Straße bauen sie einen Triumphbogen. Aber da mache ich nicht mit. Das ist nur Arbeit für Papas und Mamas. Ich muss hart arbeiten um Geld zu sparen. Denn „Normaal“ spielt im Hauptzelt. „Was für ne doofe Gruppe, wer geht da schon hin?“, sagt Natascha, meine Freundin. Ich wusste, dass Hans und Alex sie auf jeden Fall sehen wollten. Echt coole Musik spielen die. „Ich finde „Normaal“ ist eine Band für alte Menschen“, sagt Natascha. „Meine Eltern haben sie schon vor zehn Jahren spielen sehen. Was macht für dich denn eine gute Band aus?“ Das wusste ich nicht. „Ich suche mir jedes halbe Jahr eine neue Band raus. Dann ist man wenigstens immer auf dem neuesten Stand und hinkt nicht so hinterher wie du. Wer will denn schon „Normaal“ sehen…das ich nicht lache.“ Naja, ich will sie sehen, aber ich kann nicht. Ich habe kein Geld mehr. Mein Gespartes musste ich für einen neuen Fahrradschlauch hergeben. Ein Fahrrad mit einem Platten bringt ja nichts. Und von Mama bekomme ich leider auch kein extra Taschengeld.
Oma gab mir eine Tasche voll mit leeren Flaschen. „Das Pfandgeld darfst du behalten.“ Das war leicht verdientes Geld. Aber Opa lässt mich da hart für arbeiten. Mann, Mann, wie ich da ins Schwitzen kam. Ich habe seinen ganzen Rasen gemäht. Das brachte mir zwei Euro ein!
Heute ist Freitag. Eine Konzertkarte für „Normaal“ kostet 17,50 €! Viel zu viel! Ein ganz normaler Junge kann sich das doch nicht so mal eben zusammensparen. Ich habe bisher zehn Euro verdient, aber das ist zu wenig um den Eintritt zu bezahlen. Ich werde die Musik schon durch die Zeltplane hindurch hören. Sie ist ja laut genug. Hans und Alex stehen in der Schlange am Eingang.
Stolz winken sie mir mit ihren Karten zu. „Hoken, hoken*“, höre ich sie rufen. „Was rufen die denn da für merkwürdige Dinge?“ sagt plötzlich eine Stimme neben mir. Natascha! Sie war gekommen. „Das heißt feiern, verrückt sein, tanzen und springen. Aber das verstehst du ja nicht. Du magst „Normaal“ ja nicht.“ Natascha lacht. „Nee, ich liebe Breakdance und nicht so ein komischen Bauernkram. Aber du willst da ja so gerne rein? Folge mir.“ Das Zelt hat einen großen Eingang. Und auf der Rückseite ist ein Ausgang für Notfälle. Daneben steht ein Mann in Uniform. „Komm, hier kann man sich heimlich reinschleichen, dann steht man direkt vor der Bühne“, sagt sie. Natascha greift nach meiner Hand und bevor ich wusste wie mir geschah stehe ich schon im Zelt direkt vorm Podium von „Normaal“. „Wie ging das denn?“, frage ich überrascht. „Unser Nachbar ist bei der Polizei. Der hat geholfen, dass hier aufzubauen. Aber jetzt muss ich zusammen mit dir diese langweilige Band anschauen…naja, Pech“, lacht sie.
Die Gitarren hörte man im ganzen Zelt. Der Schlagzeuger gab ein paar tolle Solos. Und die Lichter flackerten in allen möglichen Farben. Wow, was war das für eine tolle Show. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf und ich konnte einfach nicht still sitzen. Aber ich war nicht allein. Nach den ersten Klängen der Musik tanzte Natascha bei jedem Lied mit. Sie schwitze im Gesicht. Und sie fand, dass „Normaal“ echt keine tolle Band war? Ich legte die Hände an meinen Mund und rief ihr laut zu: „Breakdance ist doch nicht so viel toller als diese blöde Bauernmusik, was?“ Zum Glück konnte sie mich bei all dem Lärm nicht verstehen.
Opa
„Zu meiner Zeit gab es diese lauten Veranstaltungen nicht“, sagt Opa. „Da könnte man ja nicht bei Einschlafen, der Lärm aus den Verstärkern würde das ganze Dorf wach halten. Eigentlich müsste sowas verboten werden.“ Oma nickt. „Und weißt du wo wir hingegangen sind? In den Saal vom Café Waldblick. Dort gab es Musik aus den 50er Jahren. Dein Opa war da noch am Twisten.“ Ich frage neugierig, was das war. „Frag deinen Opa mal, ob er es demonstriert. Aber mein Vater sagte immer das es nicht normal war. Twisten war Tanzen wie die Menschen im Urwald. Es muss verboten werden…das sagte mein Vater immer.“
Anmerkung d. Übersetzer: „Hoken“ ist ein Begriff, der von der niederländischen Popband „Normaal“ geprägt wurde. Die Band umschreibt das Wort als „alles was toll ist, aber nichts mit Geschlechtsverkehr oder Gewalt zu tun hat.“