Pica die Elster saß hoch oben in einem Lindenbaum und schaute über die Felder mit ihren blühenden Äckern und dachte: „Die Welt ist so groß.“ Und das dachte er, weil im Zoo westlich von hier, ihm Rubie der Strauß erzählt hatte, dass sie von ganz weit weg kam, aus einem Land, in dem es immer warm war. Viel wärmer als in Drenthe.
Und jetzt konnte Pica nicht mehr aufhören an das Land zu denken, wo kein Schnee fällt und die Sonne immer scheinen soll, da möchte er schon mal gerne hin. Er war zögerlich, denn er war noch nie weit von zuhause weggeflogen und sicherlich nicht in so ein fernes Land. Aber wie würde er dorthin kommen? Er war noch nie weiter geflogen als bis zum Horstmannwald.*
Plötzlich musste er daran denken, dass er den Strauß hätte fragen müssen. Aber das war ja noch möglich. Also breitete Pica seine Flügel aus und flog los in den Zoo. Rubie saß in der Sonne und als sie Pica sah rief sie: „Na, da bist du ja wieder! Weiß deine Mutter Bescheid? Du darfst doch nicht so weit weg von zu Hause.“
Pica schüttelte den Kopf. „Sag lieber nichts, erzähl mir wie ich zu dem Land komme, wo es immer warm ist.“ Da staunte Rubie nicht schlecht und dachte: „Darf ich ihm das denn erzählen? Dann fliegt er so weit weg von seiner Mutter, das geht doch nicht…? Aber warum eigentlich nicht. Die Jungtiere gehen hier ja auch ihren eigenen Weg, wie bei den Sträußen auch.“ Also erklärte sie Pica den Weg. „Die Welt ist rund, Pica“, sagte sie. „Darum musst du nur geradeaus fliegen, dann kommst du irgendwann in dem warmen Land an und wenn du darüber hinweg fliegst und immer weiter geradeaus, kommst du ganz von selbst wieder nach Hause, weil die Erde rund ist.“
Pica bedankte sich bei dem Strauß und flog wieder heim. Einen darauf folgenden Morgen sahen Mutter und Vater Elster nur noch das leere Nest. Pica war heimlich losgeflogen. Er flog und folgte dem Wind, denn er würde sicher auch über dem Land vom Strauß wehen. Jedenfalls dachte Pica das.
Aber als es Abend wurde, war er so müde, dass er ein warmes Plätzchen in einem großen Tannenbaum suchte. Bevor er einschlief, dachte er noch an zu Hause, an seine Eltern. Ob sie sich wohl Sorgen machten? Seine Mutter bestimmt.
Aber am nächsten Tag flog er wieder los. Er wollte das warme Land so gern aus der Nähe sehen. So wie der Wind um ihn herum blies, fühlte er sich manchmal wie ein echter Pilot. Als es Abend wurde, wurde er langsam ungeduldig. Er hatte das warme Land noch nicht gesehen.
„Ob die Welt wohl wirklich so groß war? Naja, morgen noch einmal Gas geben“, dachte er. Er suchte sich schnell ein gemütliches Plätzchen zum Schlafen. Gerade als es ein wenig hell wurde, flog Pica wieder los. Und er flog schnell, denn der Wind pfiff durch die Bäume. Es war schon beinahe ein Sturm. Das war genau in Picas Sinne, denn so würde er schnell um die Welt fliegen können.
Was Pica aber nicht wusste, war, dass der Wind sich auch drehen kann und kräftig aus der Richtung kommen kann, aus der er angeflogen kam. Gegen Abend sah er auf einmal wieder bekannte Dinge, auch das Nest, in dem er geboren war.
Und Pica war so unglaublich froh, dass er eine Reise um die Welt gemacht hatte.
Das der Wind sich gedreht haben könnte, da dachte er überhaupt nicht dran. Merkwürdig fand er nur, dass er das warme Land nicht gefunden hatte. Wahrscheinlich hatte er es nicht gesehen, weil er so schnell geflogen war.
Wieder zu Hause bekam er eine Standpauke von seinem Vater. „Du ungezogene Elster“, sagte er. „Du und eine Weltreise machen? Das ist was für die Storche. Unsere Flügel sind viel zu klein.“ Aber wenn Pica hoch oben im Lindenbaum sitzt, träumt er von seiner abenteuerlichen Reise um die Welt.
Und seine Mutter darf so oft sie will sagen, dass es gar nicht geschehen ist. Denn Pica weiß es besser, er war doch schließlich dabei gewesen?!
Autor: Bart Veenstra
Übersetzung: Aylin Bedir
*Anmerkung der Übersetzerin: In Niederländischen: Horstmansbos ist ein Wald in der Provinz Drenthe